Meine Geschichte

-Krümel-

 

Im Mai habe ich in der 10./11. Schwangerschaftswoche bei einer Routineuntersuchung erfahren, dass das Herz meines Kindes nicht mehr schlägt. Meine Gynäkologin bot direkt an, einen Termin in einer von ihr ausgewählten Klinik zur Abrasio* zu vereinbaren. Ich lehnte ab, musste erst meine Gefühle und Gedanken dazu sortieren. Ich rief meine Hebamme an, sie gab mir den Denkanstoß, mein Kind doch auf normalem Wege zu gebären. Mein Entschluss stand am nächsten Morgen fest, eine kleine Geburt ist der richtige Weg für mich. Im Anschluss hatte ich einen weiteren Termin bei der Gynäkologin, sie wollte die Diagnose "Missed Abortion"* nochmals bestätigen. Ich erzählte ihr von meinem Wunsch einer kleinen Geburt und diese medikamentös einzuleiten. Sie lehnte ab und warf mir vor, ich könne die Risiken und was es heißt ein Kind zu Hause zu gebären nicht einschätzen. Es interessierte sie auch kaum, dass ich bei meinem Ehemann, einem Chirurgen und Notarzt, zu Hause in guten Händen war.

Mein Mann organisierte mir das Medikament und wir starteten zu Hause die Einnahme. Meine Hebamme empfahl mir zu Hause ein Küchensieb bereit zu halten, falls ich mein Kind auffangen und nach der Geburt bestatten möchte. 

Mein Körper zeigte keine Reaktion auf die Medikamente, ich war einfach noch nicht so weit. Ich recherchierte viel im Internet, schloß mich diversen Gruppen auf Social Media an und wälzte ein Buch nach dem Anderen.

Aufgrund des Unverständnisses meiner Gynäkologin ging ich dort kaum mehr zur Kontrolle, hörte ich von ihr doch eh nur, ich würde verbluten und sie habe noch nie eine solch unvernünftige Patientin wie mich gehabt.

Ich holte mir regelmäßig Rat und Beistand bei verschiedensten Frauen die selbiges durchlebt haben. Sie verstanden mich, konnten nachvollziehen, weshalb ich nach einer traumatischen ersten Schwangerschaft mit Notfallsectio* wenigstens mein nun in der Schwangerschaft verstorbenes Kind auf natürlichem Weg gebären wollte. 
Von Ärzten hingegen hörte ich mir an, weshalb ich mich so anstelle, man könnte diesen Zellklumpen in einer schnellen OP entfernen. An diesem Zellhaufen wäre doch rein gar nichts ein Kind, es habe davon nichts auch nur im Geringsten mit einem Kind zu tun, zumal Reste in der Gebärmutter bestimmt am Ende Krebs verursachen würden. Die Mehrzahl der Arztkontakte bestand darin, mich zu einer Abrasio zu überreden und meine Wünsche, Gefühle und Bedürfnisse zu ignorieren. 


Es dauerte sieben Wochen bis erste Blutungen einsetzten. Mittlerweile stand ich in engem Kontakt mit der Hebamme Doro von Sternenkind.Liebe aus Berlin, sie nahm mir mit viel Aufklärung die Angst vor dem was kommen wird. Es sollte jedoch noch länger dauern, und so nahm ich in der 9.Woche nach Diagnose wieder Medikamente ein, weil ich langsam den Wunsch nach einem Abschluss spürte. Ich hatte sehr starke Wehen, welche ich veratmen musste, ich musste mich bewegen. 

Als in der Folgewoche meine Fruchtblase platze konnte ich mein geliebtes Kind in das Sieb gebären. Es ist tatsächlich kein Zellklumpen, es ist ein wunderschönes Baby mit Augen, einer Nase, Armen und Beinen. Nach 20 Minuten gebar ich die Fruchthöhle. Abends haben wir unser Baby zusammen mit seiner Fruchthöhle in unserem Garten bestattet. 

Mein Weg war nicht einfach, aber ich hatte das Geschenk, ganz wundervolle Menschen an meiner Seite gehabt zu haben, welchen ich von ganzem Herzen Danke sagen möchte:

  • meinem Mann, der mich von Anfang an meinen Weg gehen ließ, mich jederzeit liebe- und rücksichtsvoll getragen und ertragen hat
  • Anna, meiner Freundin, die diesen Weg zeitgleich mit mir bestreiten musste und wir heute wissen: unsere Kinder haben uns zusammen geführt und aus Unbekannten enge Vertraute gemacht
  • Corinna Hansen-Krewer, als Begleiterin und Vorreiterin, die mit ihrer Erfahrung und ihrem Einsatz den Grundstein für mehr Aufklärung und einen besseren Umgang von Frauen und ihren traurigen Schicksalen gelegt hat
  • Doro von Sternenkind.Liebe, die mich mit ihrem Podcast und als Hebamme über hunderte von Kilometern Entfernung tatkräftig in meinem Willen unterstützt hat und mir fachlich beiseite stand
  • Fr. Maek, meiner Nürnberger Hebamme, die den Stein der kleinen Geburt für mich ins Rollen brachte und wunderschöne Gedenkgottesdienste für verwaiste Eltern in Nürnberg organisiert. "Herzenskinder" Andacht, St. Klara Kirche, jeden 1. Donnerstag in geraden Monaten um 19.30 Uhr


Mir ist bewusst, dass Empathie in keinem Studium oder in keiner Ausbildung gelehrt werden kann, es ist eine Eigenschaft die jeder/jede selbst mitbringt oder eben auch nicht. In der Behandlung von Frauen und ihren Angehörigen, welche gerade ihr Kind verlieren, und damit auch all ihre Träume und Pläne, ist ein empathischer und rücksichtvoller Umgang dennoch genauso unverzichtbar, wie eine ausführliche Information über die verschiedenen Wege der Geburt als auch die jeweiligen Risiken, sodass jede betroffene Frau den für sie richtigen Weg frei entscheiden kann, ohne in Bedrängnis zu geraten.

Glossar:
Abrasio: Ausschabung
Missed Abortion: der Körper hält die Schwangerschaft trotz verstorbenem Kind noch aufrecht, die Fehlgeburt wird sozusagen nur durch eine Untersuchung entdeckt und verläuft vorerst für die Mutter unbemerkt
Sectio: Kaiserschnitt